Interview mit Richard Löwenstein

Nun ist es endlich soweit: Eine weitere Legende unter den Videospiele-Redakteuren hat auf dem virtuellen Schleudersitz von Warsow-Arena.de platzgenommen. Wer die Kultzeitschriften Amiga Joker und PC Joker aus den 1990er und 2000ern noch kennt, der kennt auch ihn. Wir haben heute die Ehre mit einem der bekanntesten Spiele-Redakteure in Deutschland zu sprechen – Richard „Richy“ Löwenstein. Aber er ist nicht nur Redakteur, sondern zeichnet sich für diverse Retro-Spiele auf dem C64 und Amiga verantwortlich. Wir freuen uns deshalb ganz besonders euch heute ein Interview mit ihm über das Gestern und Heute präsentieren zu dürfen.

WA: Zunächst vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast. Bevor es aber tatsächlich ins Eingemachte geht… stell dich doch erstmal unseren Lesern vor, denn schließlich sind nicht alle im digitalen Mittelalter groß geworden wie wir! 😉

RL: Vielen lieben Dank für das Interesse, es ist mir eine Ehre! Also, mein Name ist Richard Löwenstein. Ich bin in den 1970er-Jahren geboren und habe in den 1980er-Jahren einige Spiele für den Commodore 64 entwickelt, darunter die Listing des Monats „Let´s bounce“ und „Quadranoid“ für das Happy Computer-Magazin, und das romantische Abenteuerspiel „Persian Gulf Inferno“ für Magic Bytes 😉 In den 90er-Jahren wurde ich zum Teil des Joker-Teams und durfte an den Zeitschriften-Projekten Amiga Joker und PC Joker als Redakteur und Chefredakteur mitwirken. Seitdem lässt mich die Spielebranche nicht mehr los. Aktuell entwickle ich ein Shmup für Amiga. Richtig gelesen: Amiga. Im Jahr 2018. Keine Ahnung, was mich reitet.

WA: Bezüglich „Computer & Co.“ stellt sich mir direkt die Frage, wie du eigentlich zu diesem Thema gekommen bist? Jungs in unserem Alter wollten damals ja eher Polizist oder Lokführer werden. Du hast dich ja offenbar schon in jungen Jahren lieber vor den Monitor geklemmt, um die Welt der Nullen und Einsen zu entdeckt. Wie kam es dazu und was war deine erste Hardware und Software?

RL: Mein erster Heimcomputer war ein TI 99/4A, ein Geschenk meines Vaters. Da war ich 13 oder 14 Jahre jung. Ich hatte dafür nur Space Invaders und Pac Man, und musste also selber Spiele entwickeln, wenn ich mehr Stoff wollte. Nachdem ich per Extended Basic ein paar Sprites dazu bewegt hatte, sich wie von Zauberhand selbst über den Bildschirm zu bewegen, war der Coding-Virus in mir implantiert. Er ließ sich auch nicht mehr von einem Systemwechsel auf den Commodore 64 vertreiben, obwohl mich das System durch sein mieses Basic zum Kontakt mit der Assembler-Maschinensprache zwang. Assembler liebe ich noch heute für seinen puren und klaren Charme.

WA: Nun bist du ja nicht nur mit der Hand am Joystick groß geworden, sondern auch mit den Fingern auf der Tastatur – sprich zu bist ein Schreiberling, der seine Brötchen am liebsten mit dem Testen von mehr oder weniger guten Spielen verdient. Einige betagte und grauhaarige Leser unter uns kennen dich vermutlich noch aus den Zeiten des Amiga Jokers und PC Jokers. Was hat dich damals dazu bewogen dich ausgerechnet als Redakteur zu verdingen und für welche Magazine/Formate warst du bisher tätig?

RL: Zum Amiga Joker bin ich gegangen, weil ich den Amiga liebte. Außerdem, weil meine (erste) Bewerbung bei der Power Play ins leere lief. Die Lust am Schreiben hatte sich gegen Ende der 1980er-Jahre entwickelt, als ich wegen meiner Listings häufiger Kontakt mit den Redakteuren der Happy Computer hatte und auch ein paar kleinere Beiträge schreiben durfte. Seitdem habe ich unter anderem rund tausend Spieletests für T-Online Spiele formuliert, und die Magazine Cube und 360 Live gegründet und aufgebaut.

WA: Ich muss noch mal auf das Thema „Amiga Joker“ zurückkommen. Im Oktober 2017 gab es nach über 20 Jahren Pause mal wieder einen neuen Amiga Joker – Ausgabe 1/2017. Wie bist du auf die Idee gekommen, wer war daran beteiligt und wird es irgendwann noch eine weitere Ausgabe geben?

RL: Die Idee geht ursprünglich auf eine kleine Beilage zurück, die ich für mein 2016er-Spieleprojekt Reshoot produziert hatte: Eine Anleitung im Amiga Joker-Look, die der Packung beilag. Im Gespräch mit Markus Tillmann, der die großartigen Events Amiga30 und Amiga32 organisiert hat, ergab sich eine Schnappsidee: Wie wär´s wenn wir den Amiga Joker anlässlich der Amiga32 reaktivieren und eine Sonderausgabe produzieren? Als ich ein paar meiner ehemaligen Joker-Kollegen für die Idee gewonnen hatte und also recht sicher sein konnte, dass so eine Comeback-Ausgabe den Charme des Originals haben würde, ging‘s los. Eine weitere Ausgabe kann ich nicht versprechen. Wenn, dann würde es zum 30-jährigen Jubiläum des AJ Sinn machen.

WA: Nebenbei hast du ja vor einigen Monaten ein neues Spiel für den Amiga veröffentlicht mit dem Namen „Reshoot“. Das Spiel kam in der Amiga-Gemeinde ja offensichtlich sehr gut an. Wird es zu dem Spiel eine Fortsetzung – also Reshoot II – geben? Wenn nein, warum nicht – wenn ja, welche Pläne hast du für den Nachfolger?

RL: Ja also, wie oben bereits angedeutet: Ja, es wird einen Nachfolger geben. Er heißt RESHOOT R und macht im Prinzip alles besser als Reshoot. Ist viel bunter, lauter und spielbarer. Weil du ja nach Software gefragt hast: RESHOOT R entsteht auf einer selbstgebauten Toolchain, basierend auf einem mit Mac mit Xcode und dem Amiga-Emulator FS-UAE mit dem ASMOne-Assembler. Mehr Infos und ein paar Bilder gibt´s übrigens auf meiner Patreon-Website: https://www.patreon.com/loewenstein

WA: Nun die wohl wichtigste Frage zu Reshoot, bei der sich „Dr. Freak“ aus dem Amiga Joker vermutlich die Hände gerieben hätte: Gibt es von deinem Spiel schon eine gecrackte oder trainierte Version und was würdest du den Crackern/Trainern sagen, wenn du ihnen persönlich begegnen würdest?

RL: Tatsächlich habe ich genau das getan: Nämlich dem Cracker die Meinung gegeigt, der aus Reshoot die Kollisionsabfrage entfernt und das Ergebnis ungefragt ins Netz gestellt hat. Dass es so etwas im Jahr 2016 noch geben könnte, hätte ich vorher nicht für möglich gehalten. Das ein Cracker mit sich reden lässt und den Crack aus dem Netz entfernt, allerdings auch nicht.

WA: Wird es in Zukunft noch weitere Spiele für den Amiga von dir geben?

RL: Lust habe ich definitiv, und Ideen jede Menge. Allerdings ist so ein Projekt wie RESHOOT R unglaublich zeitaufwendig und gleichzeitig total unlukrativ, so dass es nur als Hobby in der Freizeit realisierbar ist. Ich arbeite seit August 2016 an RESHOOT R, das sind jetzt also bald zwei Jahre. Ob ich mir das nach RESHOOT R noch einmal antue? Wir werden sehen. Immerhin steht jetzt eine Engine, die sich für viele Genres eignet, nicht nur Shmups. Insofern wäre ein großer Teil der Arbeit bereits getan.

WA: Das Ende vom Amiga bzw. von Commodore kam ja für einige eher unerwartet und für einige Branchenkenner war das Ende tatsächlich absehbar. Welche Gründe haben deiner Meinung nach für den Sturz von Commodore geführt und was hattest du anders/besser gemacht, wenn du statt Redakteur beim Joker Verlag von Michael Labiner der Vorstandschef von Commodore International gewesen wärst?

RL: Ganz sicher hätte ich Commodore noch viel schneller in die Pleite geführt, egal was ich unternommen hätte. Denn ich hatte zwar eine kaufmännische Ausbildung. Aber um so einen Großtanker wie Commodore erfolgreich lenken zu können, braucht es viel mehr. Es reicht auch bei weitem nicht die Markteinführung des Amiga 500 um zwei Jahre vorzuziehen, das CDTV-Experiment sein zu lassen oder den A1200 mit AAA-Chipsatz, Festplatte und CD-ROM im Jahr 1992 zu releasen. Du brauchst eine bei Menschen äußerst seltene Kombination aus Weitblick, Empathie und Bodenständigkeit. Die hat offenbar auch den damaligen Managern gefehlt. Das führte dann zwangsläufig zum Ende.

WA: Stimmt, auf das CDTV hätte die Amiga-Gemeinde wohl tatsächlich verzichten können, auch wenn es inzwischen ein beliebtes Sammlerstück ist. Wenn du nicht gerade vor dem Amiga hockst oder irgendwelche Fachartikel schreibst, zockst du zwischendurch auch mal am PC oder einer Spielekonsole und wenn ja, welche Games sind das momentan hauptsächlich?

RL: Vermutlich ein Rennspiel auf der PlayStation 4, oder Zelda oder Mario auf der Switch.

WA: Unter uns Kegelbrüdern: Welche Konsole findest du momentan interessanter – die Xbox One X oder die Playstation 4 Pro und warum?

RL: Ich finde keine der beiden Konsolen sonderlich spannend und eher mäh, dass Sony und Microsoft mit diesen beiden Konsolen die Gamer-Zielgruppe splitten und melken. Sagen wir mal so: Im Zweifel eher Xbox One X, denn sie bringt im Vergleich zur Basiskonsole die bessere Mehrleistung. Was aber eher gegen die Basiskonsole spricht.

WA: Viele Amiga-Anhänger sind ja der Meinung, dass der Spielspaß am Amiga trotz schwächerer Grafik im Vergleich zu aktuellen PC- und Konsolen-Games immer noch deutlich größer ist. Würdest du das unterschreiben wollen und welche Gründe könnte es deiner Meinung nach dafür geben?

RL: Ich fürchte, ich teile diese Meinung nicht. Jedenfalls nicht pauschal. Es gab und gibt auf dem Amiga jede Menge ganz fürchterliche Gurken und nur sehr wenige Spiele, die ich heute noch von A bis Z als unterhaltsam empfinde: Spiele wie Turrican 2, Hybris, Silkworm oder Apydia, die einfach alles richtig machen – so was kann ich auch auf aktuellen Plattformen erleben: Die Forza-Reihe für Xbox, Mario für Switch, oder God of War auf PS4 zum Beispiel.

WA: Hast du eigentlich noch alte Retro-Computer bei dir Zuhause stehen und wenn ja, welche sind es?

RL: An Computern habe ich nur noch den Commodore 64 und den Amiga 1200. Das sind meine Lieblings-Systeme, mit denen möchte ich begraben werden. Dazu kommen einige Konsolen, die jeder Retrogamer haben sollte: Mega Drive, Super Nintendo, Neo Geo, Dreamcast und Gamecube zum Beispiel.

WA: Na, mit dem begraben werden dauert es hoffentlich noch etwas – aber der Fuhrpark ist dennoch beeindruckend. Apropos „graben“… was machst du eigentlich so, wenn du nicht gerade am Rechner sitzt? Hast du irgendwelche besonderen und außergewöhnlichen Hobbys?

RL: Ich verbringe gerne Zeit mit meiner Frau und meiner Tochter, bin draußen in der Natur unterwegs, drehe Runden mit meinem Motorrad, schaue fern oder lese ein Buch. Sorry, exotischer wird´s nicht.

WA: Richy, ich danke dir für das Interview und wünsche dir weiterhin viel Erfolg für die Zukunft!

RL: Ich habe zu danken. Gern geschehen!

Fotos bereitgestellt von Richard Löwenstein.

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