Interview mit Boris Schneider-Johne

Heute ist es endlich soweit: Eine wahre Legende unter den Videospiele-Redakteuren hat auf der virtuellen Couch von Warsow-Arena.de platzgenommen. Wer die Kultzeitschriften Happy Computer, Power Play und PC Player aus den 1980er und 1990er kennt, kennt auch ihn. Die Rede ist von niemand geringerem als Boris Schneider-Johne – einer der Köpfe hinter den genannten Magazinen und damit ein echtes Urgestein im Videospielebereich. Wir freuen uns deshalb ganz besonders euch heute ein Interview mit ihm über das Gestern und Heute präsentieren zu dürfen. Viel Spaß beim Lesen!

WA: Hallo Boris! Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast uns für ein Interview zur Verfügung zu stehen. Viele werden dich noch als Redakteur von Happy ComputerPower Play und PC Player und eventuell deinem alten Blog DreiSechzig.net kennen. Aber vielleicht kannst du dich ja trotzdem einfach noch einmal vorstellen…

BSJ: Kurzbeschreibung: Ich nähere mich dem magischen Alter von 50 Jahren, nenne mich Spieleveteran, habe zwei Kinder und einen Arcade-Automaten. Arbeite seit knapp zwanzig Jahren bei Microsoft, einen Großteil davon bei Xbox und seit etwa drei Jahren als „Director of Enthusiasm“, na gut, offiziell Product Manager Consumer, bei Microsoft Deutschland. Ich werde aber immer wieder auf meine Vergangenheit angesprochen – als Redakteur von Spielezeitschriften und Übersetzer von Computerspielen, unter anderem die ersten beiden „Monkey Island“-Adventures.

Boris Schneider-Johne
Videospiele-Legende Boris Schneider-Johne im Interview

WA: Die wichtigste Frage direkt vorweg: Wie bist du eigentlich zum Computer gekommen? Hast du dich schon immer für Computer und Computerspiele interessiert? Wie hat alles bei dir angefangen mit der Computertechnik?

BSJ: Mein erster Kontakt mit Computern kam über meinen Vater. Der hatte 1978 einen der ersten Commodore PET 2001 für zu Hause angeschafft. Auf dem habe ich verzweifelt versucht, mit dem Original-Handbuch Basic zu lernen. Irgendwann ist mir das gelungen, aber am liebsten waren mir natürlich die Computerspiele. Es gab ein Bowling, welches die ganze Familie gespielt hat, und einen ganz ordentlichen Space-Invaders-Clone. Nach einigen Ferienjobs bin ich 1983 auf einen eigenen Commodore 64 umgestiegen und habe auf diesem fleißig Spiele gecrackt und dabei die Tricks der „Maschinensprache“, in dem Fall 6502 Assembler Code, gelernt.

WA: Die meisten Leser dürften dich wie gesagt primär als Redakteur aus den legendären Computermagazinen Power Play und PC Player kennen. Erzähle uns doch mal wie du zum Verlagswesen gekommen bist und welche Aufgaben du dort in Bezug auf die Power Play und PC Player inne hattest?

BSJ: Ich kam über das Programmieren zum Schreiben. Karsten Schramm und ich hatten den Schnell-Lader Hypra-Load für den C64 entwickelt und da der Markt+Technik Verlag, bei dem auch das 64’er Magazin erschien, nur drei S-Bahn-Stationen entfernt von unserem Heimatort war, haben wir denen das Programm auch persönlich vorstellen können. Dann wurde daraus noch während der Schulzeit eine Gast-Autorschaft, dann ein Praktikum, dann eine Redakteursstelle.

WA: Was waren deiner Meinung nach die spannendsten Ereignisse während deiner Arbeit für Power Play und PC Player? Gab es irgendwelche speziellen Anekdoten die du uns aus der Zeit hier erzählen magst? Ihr hattet doch damals bestimmt eine Menge Spaß in der Redaktion gehabt. Vielleicht kannst du uns hier ja mal die witzigsten Geschichten erzählen?

BSJ: Viele von den „alten“ Geschichten haben wir ja schon im Spieleveteranen-Podcast erzählt. Am spannendsten waren natürlich die zahlreichen USA-Reisen zu den Spielemessen in Chicago und Las Vegas und später dann Los Angeles, aber auch nach England. Bei Interviews mit Entwicklern bin ich immer dadurch aufgefallen, daß ich ja auch durchaus ordentlich programmieren konnte und damit richtig ins Fachsimpeln kam. Das war zum Beispiel bei den englischen Redakteuren total unbekannt und damit hatten wir oft tiefsinnigere Interviews in den Heften als die Kollegen von der Insel. Ich habe alle „Spielelegenden“ kennengelernt und mich nur selten blamiert. Auf einer Presseveranstaltung von Microprose in Las Vegas für „Red Storm Rising“ bin ich wegen des Jetlags vor aller Augen eingeschlafen. In der Redaktion selbst ging es oft kindisch zu. Wir hatten Wasserpistolenduelle nach Feierabend, quasi 3D-Multiplayer-Shooter lange vor Doom. Aber die Arbeit stand im Vordergrund – wir haben selbstausbeuterisch in der Regel 60 Stunden die Woche gearbeitet.

WA: Hast du noch Kontakt zu den ehemaligen Redakteuren und falls ja, sprecht ihr noch über „die guten, alten Zeiten“?

BSJ: Ich betreibe ganz rege Kontaktpflege und lade alle sechs Monate die alten Kollegen aus den 80er Jahren zum sogenannten „Veteranengrillen“ zu mir nach Hause ein – da kommen in der Regel an die zwanzig Leute. Außerdem war ich Gründungsmitglied der „Spieleveteranen“, eines Podcasts rund um die alten Zeiten, bin da aber nach fünf lustigen Jahren ausgestiegen, weil mir nicht mehr viel neues zu den alten Dingen einfiel.

WA: Anfang 2000 hat ja leider zunächst die Power Play und Mitte 2001 auch die PC Player die Segel streichen müssen. Weiß du noch wie es dazu kam und wie sind deine Erinnerungen an diese speziellen Tage? Warst du bei beiden Magazinen bis zum bitteren Ende dabei? Kam das Ende sehr spontan oder hatte sich das Ende bereits seit einiger Zeit angekündigt?

BSJ: Da ich 1997 in einem Anfall von Präkognition die Zeitschriftenbranche Richtung Microsoft verlassen habe, habe ich die jeweiligen Schlußphasen der Magazine nur von außen betrachten können. Aber, so bitter es auch ist, für jedes Projekt ist irgendwann mal Ende, weil sich die Leser etwas anderem zuwenden. PC Player und Power Play waren beides sehr persönliche Zeitschriften; sie waren genau das, was Heinrich Lenhardt und ich selber lesen wollten. Und das passte bis Mitte der neunziger Jahre gut zum Publikumsgeschmack. Heutzutage würde das gar nicht passen. Mich ödet vieles in der aktuellen Spielewelt an – bitte nicht noch einen Zombie-Weltkriegs-Shooter, danke.

WA: Hast du eigentlich selbst noch klassische Konsolen wie Neo Geo von SNK oder Mega Drive von Sega bzw. Computer wie C64 oder Amiga Zuhause? Falls ja, welche sind deine Lieblingskonsolen bzw. -computer und warum?

BSJ: Ja und nein – ich bin vollends auf Emulation umgestiegen. Dabei habe ich den irrsinnigen Anspruch, nur die Dinge zu emulieren, von denen ich die Originalsoftware noch im Keller rumliegen habe, also ist nix „geklaut“. Ich habe einen Arcade-Automaten im Wohnzimmer, auf dem dank MAME Klassiker wie Bubble Bobble, Tempest und Gauntlet II laufen. Auf dem Fernseher landen natürlich die alten Super Mario Sachen und beim Veteranengrillen geht es nicht ohne International Soccer, Summer Games und Uridium, also die großen C64-Klassiker. Der C64 hat mich geprägt und mir mein weiteres berufliches Leben eröffnet, also ist und bleibt er „mein“ System.

WA: Inzwischen bist du ja beim größten Softwarehersteller der Welt (Microsoft) gelandet. Was genau sind deine Aufgaben und Projekte bei Microsoft und was fasziniert dich so an der Arbeit bei Microsoft? Bist du schon mal persönlich den Chefs (Bill Gates, Steve Ballmer oder Satya Nadella) begegnet und was würdest du diese – wenn du 3 Frage offen hättest – fragen?

BSJ: Das Schöne ist, daß sich bei Microsoft mein Aufgaben immer wieder geändert haben. Ich habe in Deutschland Xbox Live auf den Markt gebracht und dabei mit Internet-Anbietern wie der Telekom intensiv technisch diskutiert und Marketingverträge gemacht. Ich habe mit Entwicklern wilde Presseevents gestaltet und für Windows interessante Verkaufsstände in Einkaufszentren gebaut. Zur Zeit mache ich alle möglichen Aktionen rund um Windows. Über Langeweile kann ich mich also nicht beklagen. Dabei bin ich weiterhin sehr technisch interessiert und kenne mich mit den aktuellen Produkten gut aus. Daher würde ich mit Bill oder Satya ein technisches Gespräch über ein aktuelles Thema führen. Wobei es sich sicher lohnt, mit Bill Gates auch über seine Stiftung Gates Foundation und Dinge wie Malaria-Forschung oder Projekte für Toiletten in Entwicklungsländern zu reden. Das Toiletten-Projekt klingt nur komisch, da geht es sehr ernsthaft darum, Krankheiten einzudämmen und Epidemien zu vermeiden. Steve Ballmer habe ich mehrfach kurz getroffen, mit dem kann man über alles reden – Sport, Wirtschaft, Technik, Musicals – wobei er da einen sehr seltsamen Geschmack hat.

WA: Was hälst du vom PC als Spielemaschine der Zukunft? Hat er inzwischen ausgedient oder geht es jetzt sogar erst richtig los? Wie sieht dein aktueller PC-Fuhrpark aus und ganz wichtige Frage: Arbeitest du noch mit Windows 7 oder bereits mit Windows 8.1 bzw. Windows 10 (Beta)?

BSJ: Der PC hat eine Sonderrolle als besonders „demokratische“ Maschine. Jeder kann sich für 500 Euro einen PC kaufen, kostenlose Software wie Visual Studio Express herunterladen, programmieren und sogar Geld verdienen. Nie war es einfacher und preiswerter, sich zu Hause ein Entwicklungssystem hinzustellen, das im Prinzip alles kann. Und teure PCs werden immer die leistungsfähigste Hardware sein, die sich ein Spieler zu Hause hinstellen kann. Dann gibt es Konsolen und die versprechen solide Leistung bei simpelster Konfiguration – keine Treiber, keine Installation, einfach nur spielen. Im mobilen Segment werden Konsolen hingegen von Tablets und Telefonen abgelöst. Ich habe eine große Gameboy-Sammlung, spiele aber unterwegs gar nicht mehr mit denen, nehme auch seit Jahren keinen Gameboy auf Reisen mit. Aber genauso, wie man Filme auf unterschiedliche Art und Weise sehen kann, Kino, Blu-Ray, Streaming, RTL oder auf einem Mini-Bildschirm im Flugzeug, genauso wird es Spiele auch auf jeder Art von interaktivem Gerät geben.

WA: Apropos Windows 10: Ich habe vor wenigen Tagen die Technical Preview von Windows 10 getestet und war wirklich begeistert (obwohl ich mit Windows 8.1 auch sehr zufrieden bin) – auch wenn das System in der Beta-Version natürlich noch die eine oder andere Macke hat. Entsprechend bin ich gespannt auf die finale Version. Hast du noch irgendwelche tollen „Insider Informationen“ zu Windows 10, die uns das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen? Was erwartet uns, außer einem neuen Betriebssystem?

BSJ: Mag jetzt komisch klingen, aber nein. Es handelt sich „nur“ um eine technische Preview die gerade dazu da ist, Feedback einzuholen. Es wird sich noch sehr viel ändern und mein Arbeitgeber hat noch nicht angekündigt, was noch alles dazu kommt. Dementsprechend halte ich da auch meinen Mund.

WA: Als Microsoft-Mitarbeiter hast du doch garantiert die nagelneue Xbox One Zuhause stehe. Was sind deine aktuellen Lieblingsspiele für die neueste Microsoft-Konsole und auf welche Titel freust du dich bereits?

BSJ: Ich hab gerade mit Forza Horizon 2 angefangen, ganz brillant. Aber die meiste Zeit an meiner Xbox One habe ich mit Peggle 2 verbracht… Da mich Shooter nicht so anmachen, ist viel der aktuellen Software nicht mein Ding. Aber gerade Autorennspiele – holla, die neue Grafik macht wirklich richtig Spaß. Und ich liebe es, an das Spiel noch einen Skype-Chat oder demnächst ein Fernsehprogramm „anzudocken“. Großartiges technisches Feature!

WA: Vor dem Ende noch eine ganz andere Frage: Du sitzt ja vermutlich nicht nur am Computer. Was machst du eigentlich so, wenn du nicht gerade am Monitor sitzt? Hast du irgendwelche besonderen und außergewöhnlichen Hobbys denen du nachgehst?

BSJ: Ich lese viel, schaue natürlich gerne Filme und aktuelle Fernsehserien, wandere und bin ein Museums-Freak: Wenn ich beruflich Städte besuche, versuche ich immer einige dortige Museen zu genießen. Gerade war ich zum Beispiel in Barcelona und habe mir viel von Gaudi sowie die Joan Miro Stiftung angesehen. Meine andere große Leidenschaft sind Zauberei und Illusion: Ich liebe Penn & Teller, David Copperfield und kann allen Münchnern (und Besuchern) nur das Magic Theater am Unteranger empfehlen – insbesondere, wenn Denis Behr auftritt, der unglaubliche Sachen mit einem Stapel Spielkarten kann. Und zu guter Letzt: Vergnügungsparks, allen voran die von Disney. Im November werde ich endlich mal wieder in Orlando sein und die vier Parks von Disney sowie die beiden von Universal in einem Intensiv-Urlaub begutachten.

WA: Boris, ich danke dir recht herzlich für das Interview und wünsche dir weiterhin viel Spaß und Erfolg!

BSJ: Danke auch und weiterhin viel Erfolg!

Fotos bereitgestellt von Boris Schneider-Johne.

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